Hier verlor ich mein Herz

Angela Jacobi, hier mit dem Erzbischof von Rangun,Charles Maung Bo (links), und dem Apostolischen Nuntiusin Indien, Erzbischof Salvatore Pennacchio,schöpft ihreKraft aus dem Glauben Oberschwaben nach Indien und Myanmar (ehem. Burma): „Mama Angela

Während einer Indien-Reise im Jahre 2004 besuchten wir die Schwestern von Mutter Teresa in Neu Delhi und haben den Norden Indiens bereist. Überall sahen wir die Bettler, die kranken Menschen und die vielen Kinder auf der Straße. Die Augen der Kinder ließen uns nicht mehrlos – traurig, hoffnungslos und schon viel zu alt, nach all dem, was sie sehen und erleben mussten in ihrem kleinen Leben. Wir suchten nach einer Möglichkeit, diesen Kindern ein wenig zu helfen, nach dem Motto von MutterTeresa

„Wenn es nur einem Kind auf dieser Welt besser geht, dann ist das schon eine bessere Welt.“

Doch die Vereine und Organisationen, die dort tätig waren, strahlten nicht den Geist aus, den wir suchten. So entschloss ich mich, selbst nachKalkutta zu fliegen, ermutigt durch eine Begegnung mit Schwester Anand MC, die heute 92-jährig in Essen lebt und jeden Tag mindestens fünf Stunden Briefe an die leidenden und kranken Mitarbeiter der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ schreibt. Dort begegnete ich nicht nur Mutter Teresa, für die Schwester Anand mir einen Brief mitgegeben hatte, sondern kam auch in das Don Bosco Ashalayam im Stadtteil Howrah und damit begann unser neues Leben – am Karfreitag 1997.

Die Kinder konnten nicht verstehen, warum ich als verheiratete Frau keine Kinder habe, ein trauriges Schicksal für eine indische Ehefrau. Am Gründonnerstag hatte mich Mutter Teresa noch getröstet und mir gesagt: „Sei nicht traurig, Angela, du hast so viele Kinder hier.“ Was sie damit meinte, wusste ich am Ostersonntag. Nach der Ostermesse im Mutterhaus machte ich mich auf den Weg zu den Kindern im Ashalayam, ich wollte mit ihnen Ostern feiern. Am Tor wartete schon Probhat, heute Doktor der Psychologie und Sozialwissenschaften und bei den Missionarinnen der Nächstenliebe beschäftigt. Ich hatte versprochen, wiederzukommen, und er vertraute darauf, dass ich mein Versprechen hielt.
Mit acht Jahren hatte er schon den Vater und schließlich auch die Mutter verloren und landete, verstoßen von seinen Verwandten, auf der Straße. Dort fand ihn ein Salesianer-Pater und nahm ihn mit in sein neues Zuhause, dem Heim der Hoffnung (Ashalayam). Erstrahlte mich an und meinte: „Wir haben uns etwas überlegt: Du bist eine Mutter ohne Kinder und wir sind Kinder ohne Mutter. No more problem! Jetzt hast du uns!”

So wurde ich zu einer Mutter von 450 Jungen, später kamen 120 Mädchen dazu. Wie ich es Mutter Teresa versprochen hatte, reiste ich jedes Jahr nach Kalkutta, lebte mit meinen Kindern, spielte mit ihnen, lachte mit ihnen und manches Mal weinte ich auch mit ihnen.

Im Jahre 2006, ein Jahr nach dem Weltjugendtag inKöln, zu dem auch zwei meiner Jungen aus dem Ashalayam gekommen waren, traf ich den Erzbischof von Rangun, Charles Maung Bo SDB, in Kalkutta. Sein Bruder Bernard arbeitete ehrenamtlich nach seiner Pensionierung im Ashalayam und betreute die Jugendlichen bei ihrerBerufsausbildung.

Ich war gerade aus Assam wiedergekommen, wo ich mich um die Kinder der Teepflückerinnen kümmerte,  da kam mir Bernard mit einem Herrn entgegen und meinte: „Angela, darf ich Dich meinem Bruder Charles vorstellen, demErzbischof von Rangun?” Ich war so erschrocken, dass ich einen Knicks machte und derErzbischof seinen Bruder lachend fragte: „Ist das in Deutschland üblich?” Nach den erschütternden Berichten des Erzbischofs über die Zustände in seinem Land reiste ich spontan von Kalkutta nach Myanmar (ehem. Burma), um mir selbst ein Bild zu machen, und sah sehr bald: Auch hier braucht es eine helfende Hand! Waisenkinder, kranke Kinder, Bettlerkinder, ehemalige Kindersoldaten, Kinder, die keine Chance haben, zur Schule zu gehen,weil der Schulweg zu weit ist. Hier verlor ich noch einmal mein Herz und bin froh und glücklich, dass es vier
Kammern hat.

Inzwischen war ich viele Male  in Myanmar (ehem. Burma), mindestens einmal im Jahr, und wir betreuen Kinder, die ohne unsere Unterstützung eine Chance hätten. Besonders die Kinder der Flüchtlinge aus dem Kachin-State im Norden Myanmars (ehem. Burma), in dem viele Christen leben, liegen mir am Herzen. Sie sind oft krank und traumatisiert durch die Vertreibung durch die Regierung, die sich die Kontrolle über Jade-Minen sichern will. Und so kommt mir ein zweiter Satz von Mutter Teresa in den Sinn:

„Wir sind uns bewusst, dass das, was wir tun, nur einTropfen im Ozean ist. Aber gäbe es diesen Tropfen nicht, würde er im Ozean fehlen.“

PDF-Download : JACOBI-Indienhilfe